Präkognition in Träumen?

Christoph Gassmann, 2006

In meiner Online Traumberatung kommt es immer wieder einmal vor, dass ich gefragt werde, ob ein bestimmter Traum ein Wahrtraum sein könnte. Meistens handelt es sich dann um einen eher erschreckenden Traum, der sehr realistisch wirkt. Natürlich gibt es keine Merkmale um präkognitive Warnträume frühzeitig zu erkennen, bevor das meist verhängnisvolle Ereignis eintrifft. So wird in der Regel ein präkognitiver Traum erst im Nachhinein als solcher erkannt.

Tsunami

So möchte ich im Folgenden eine Traumserie einer jungen, selbständig erwerbenden Frau vorstellen. Sie hatte mir in der Online Traumberatung folgendes geschrieben:

Traum: Die Flut
Ich hatte schon mehrere Male in Abständen von jeweils ein paar Monaten folgenden Traum: Ich bin an einem Strand, an dem sich ausser mir noch andere, mir unbekannte Menschen befinden. Das Meer ist ruhig und es ist sonnig und heiss. Plötzlich merke ich, wie das Wasser zu steigen beginnt und mit jeder Welle weiter in den Strand hinein reicht. Dieser ist immer entweder durch eine hohe und lange Mauer oder durch Hotelanlagen von der Strasse dahinter abgegrenzt, so, dass man den Strand nicht sofort verlassen kann. Die Wellen werden schnell stärker und auch höher und ich muss mich immer mehr anstrengen, um nicht mitgerissen zu werden.
Kommt in den Träumen die Mauer vor (in der ich bis jetzt nie einen Durchgang fand), erreicht die Flut diese nach kurzer Zeit und ich werde von einem Sog aufs Meer hinaus getrieben und schaffe es nicht, mich gegen diese Kraft zu wehren.
Ist die Hotelanlage an der Reihe (am Strand gebaute Reihen-Bungalows), flüchte ich über eine Veranda in ein Gebäude und schliesse die Türe hinter mir. Doch schon bald dringt Wasser unter dem Türspalt hindurch und die Wellen drohen die Türe aufzudrängen. In beiden Fällen erwache ich kurz bevor ich im Traum in Panik gerate.
Kommentar der Träumerin:
Ich hatte diesen Traum nun schon zum siebten Mal. Was mir jeweils auffällt, ist die Intensität, mit der ich die herannahenden Wellen höre. Irgendwie überlaut und bedrohlich, obwohl ich sonst die Klänge des Meeres liebe. Ich sehe jede Welle einzeln auf mich zukommen und jedes Mal wird mir die unglaubliche Kraft der Flut und der Strömungen bewusst und ich bekomme umso mehr Angst, je grösser und kräftiger die Wellen werden. Wenn das Wasser zu steigen beginnt, ist der Strand plötzlich menschenleer. Ich habe noch nicht herausgefunden, zu welchem Zeitpunkt oder in welchem Gemütszustand der Traum wiederkehrt. Er ist aber jedes mal so intensiv, dass ich extrem neugierig bin, was er bedeuten könnte.

Ich deutete der Träumerin diesen Traum im persönlichen Rahmen und wir kamen zusammen zu der Erkenntnis, dass der Träumerin emotional wie finanziell das Wasser bis zum Hals steht und dass sie bisher nicht geeignete Massnahmen getroffen hatte. Die Träumerin ergriff dann die richtigen Massnahmen, konnte sowohl die finanziellen Probleme regeln und ging darauf auch in eine Psychotherapie wegen Essstörungen. Sie hatte dann einen Folgetraum, indem sie im Meer schwamm, die Flut kam, aber ein Rettungsschwimmer holte sie und brachte sie in Sicherheit. Das war wohl die Bestätigung, dass die Deutung auf persönlicher Ebene richtig war.

Tsunami

Nun traf aber 20 Tage später der Tsunami in Südostasien auf und warf ein ganz neues Licht auf diese Traumserie. So kann man sich fragen, warum die Träumerin gerade das Bild von Stränden mit Bungalows und Strandmauer nimmt, die in Südostasien so zu finden sind, obwohl sie dort nie gewesen war und solche Landschaften höchstens aus dem Fernsehen kannte. Wie Sie mir später zu verstehen gab, interessiert sie sich nicht sonderlich für diese Region. In der Traumbeschreibung sieht man nun aber förmlich die Bilder, die wir alle 3 Wochen später am Fernsehen sahen. Für die Traumproduktion hätte es sicherlich viele andere mögliche Bilder gegeben um die finanzielle und emotionale Not, in welcher die Träumerin steckte darzustellen. Zu denken wären zum Beispiel an ein See, der in der Schweiz nahe liegender ist und ebenfalls hätte benutzt werden können, um zu zeigen, dass der Träumerin das Wasser bis zum Hals steht. Auch wären Szenen ohne Wasser vorstellbar gewesen, um die auswegslose und bedrückende Situation plastisch zu symbolisieren. Die Traumserie verwandte aber immer wieder diese eindrücklichen Bilder von den Meereswellen, die immer höher stiegen, das Ufer, die Ufermauern überfluteten, um dann in die Häuser einzudringen.

So glaube ich, dass Träume mehrere Bedeutungsebenen haben können. Diese Traumserie weist nun zwei erkennbare Bedeutungsebenen auf. Auf persönlicher Ebene war es ein Warntraum, der auf symbolische Weise die Not der Träumerin darstellte. Auf der kollektiven Ebene war es eine deutlich präkognitive Traumserie, welche die zukünftigen Ereignisse realistisch und nicht symbolisch vorwegnahm.

Christoph Gassmann, Horgen, Schweiz

Traum Onlineberatung: traumring.info