Traumsymbollexika
Christoph Gassmann, 2007
Wenn ich von der Presse zum Thema der Träume interviewt werde, so kommt immer wieder die Frage zur Sprache, was ich vom Gebrauch von Traumsymbollexika halte? Früher hatte ich eher von solchen Büchern abgeraten, musste aber konstatieren, dass die Buchläden voll von ihnen sind. In grossen Buch-Warenhäusern sind etwa ¾ der Traumbücher solche Traumsymbollexika, in kleineren Buchhandlungen sind praktisch nur solche Bücher zum Thema Traum erhältlich. Offenbar besteht eine Nachfrage nach solcher Literatur, weshalb ich es heute für wenig hilfreich halte, wenn Fachleute sich konstant und vehement gegen den Gebrauch solcher Lexika wenden. Sie mögen Ihre triftigen Gründe haben, doch setzen Sie sich dem Verdacht aus, dass sie nur an ihre eigenen Interessen, das heisst an ihre möglichst volle Beratungspraxis, denken. Das Hauptargument von ihnen ist, dass die Träume von persönlicher Natur sind und dass man deshalb in einem allgemein gehaltenen Traumsymbollexikon keine sinnvolle Antwort findet. Diesem Argument muss ich allerdings stattgeben, wenn ich auch ein „aber“ hinzufügen muss. So möchte ich im Folgenden dem Leser einige Anhaltspunkte zum Kauf und Gebrauch von Traumsymbollexika geben, damit er nicht das erst Beste kauft und nach dem Nachschlagen von einigen wenigen Symbolen das Buch enttäuscht zur Seite legt.
Wie gesagt gibt es viele solche Lexika. Viele schreiben einander die
Bedeutungen mehr oder weniger ab, eine sorgfältige Redaktion und
Überarbeitung der einzelnen Bedeutungstexte findet kaum statt. Es
wäre auch eine aufwändige Arbeit, dies bei hunderten, wenn
nicht tausenden Einträgen zu tun. Die Bücher sind aber meist
günstig bis billig, weshalb sich eine solche Arbeit kaum rechnen
würde. Einige werden zudem konstant in Outlet und
Ramschbuchläden neben Horoskop- und
Kreuzworträtselbüchern aufgelegt. Das heisst, einige dieser
Bücher sind von minderer Qualität, weshalb ich davon abrate,
allzu billige Bücher zu kaufen, die zudem noch dick sind. Viele
Traumsymbole und viele Seiten sind kein Qualitätsmerkmal.
Auch der Hinweis auf eine altehrwürdige Tradition der Ägypter, der Zigeuner, der Indianer oder anderer geheimnisvoll klingender Völker im Titel ist kein Qualitätshinweis, sondern im Gegenteil ein Hinweis für deren Unbrauchbarkeit. Was nützt Ihnen die Bedeutung von einem Kamel, das Ihnen im Traum ins Gesicht spuckt, wenn es in unseren Breitengraden keine Kamele und deshalb auch kaum Träume von Kamelen gibt; und was die Bedeutung eines Adlers, der über Ihrem Kopf fliegt, wenn wir in unserem ganzen Leben kaum je einen Adler zu Gesicht bekommen haben, geschweige denn davon träumen?
Dann empfehle ich dem Interessenten, sich das Buch etwas genauer anzuschauen, bevor er es kauft. Lesen Sie die Bedeutung von ein paar Symbolen, um sich ein Bild von der Qualität des Buches zu machen. Haben die Aussagen einen Wahrsagecharakter wie zum Beispiel: Wenn Sie von dem und dem träumen, so bedeutet das, dass sie bald reich sein werden, oder dass sie bald heiraten, das ihnen ein Unglück geschieht etc, so legen Sie das Buch ins Regal zurück, denn solche Aussagen erhalten Sie auf der Horoskopseite jedes Klatschblattes und der Gratiszeitungen, die heutzutage überall in den öffentlichen Verkehrsmitteln herumliegen. Träume sind seelische Bewegungen und geben deshalb vor allem über innerseelische Gegebenheiten und weniger über äussere Gegebenheiten Auskunft. Das Traumsymbollexikon muss also auf psychologischer Ebene argumentieren und erklären, um einigermassen hilfreich zu sein.
Die Erklärung der Bedeutung eines Symbols muss für Sie sinnvoll sein, Bedeutungen, die an den Haaren herbeigezogen oder schlicht abstrus und unverständlich sind, helfen Ihnen im Verständnis ihrer Träume sicher nicht weiter. Da ein Buch nur im Allgemeinen auf ein Traumsymbol eingehen kann, muss es verschiedene Bedeutungsmöglichkeiten aufzeigen, die eine oder andere Bedeutung mag je nach dem für Ihren Traum zutreffender sein als andere. Ich möchte dies an einem kleinen Beispiel zeigen.
Sie träumen zum Beispiel von einem Porzellanelefanten, den Sie in
einem Schaufenster sehen. Grundsätzlich kann dieses Bild
mindestens zwei entgegen gesetzte Bedeutungsmöglichkeiten haben,
entweder ist das ein Hinweis auf den „Elefanten im Porzellanladen“ also
ein Hinweis auf ein trampelhaftes und unsensibles Verhalten, oder
gerade umgekehrt kann es ein Hinweis auf eine für jedermann
erkenn- und einsehbare Sensibilität und Zerbrechlichkeit sein. Sie
sehen, Symbole sind in ihrer Bedeutung sehr vielgestaltig und sogar
etwas schillernd. Deshalb kann ein Traumsymbollexikon nur Ideen
liefern, was das Symbol bedeuten könnte, es kann nie definitiv
klären, was für eine Bedeutung ein Symbol, geschweige den ein
ganzer Traum hat.
Das oben dargestellte Traumbild zeigt auch, dass ein Traumsymbol immer in einen Kontext eingebettet ist und gelegentlich selber eine Zusammensetzung verschiedener Objekte ist. In einem Lexikon mögen Sie die Bedeutung von einem Elefanten finden, aber kaum die Bedeutung eines Porzellanelefanten, Sie finden vielleicht die Bedeutungsmöglichkeit eines Schaufensters, aber nicht die Bedeutung eines Porzellanelefanten in einem Schaufenster. Die Kombination der Symbole müssen Sie selber erstellen um diese besser verstehen zu können. Eigene Denk- und Deutungsarbeit bleibt Ihnen also nicht erspart. Der Kontext eines einzelnen Symbols ist ganz wesentlich für dessen Verständnis.
Zu diesem Kontext gehören auch Ihre Person und Ihr tägliches Leben. Sie träumen zum Beispiel von Ihrer Familie, von Bekannten und Verwandten. Sie träumen von Orten, die sie gut kennen und die für Sie eine bestimmte Erinnerungen und damit Bedeutungen haben. Über all diese persönlichen Symbole gibt das Lexikon keine Auskunft. Diese Symbole können Sie nur entziffern, indem Sie über sie nachdenken und jedes einzelne Symbol nach seinen Eigenschaften und somit nach seinen Bedeutungen abklopfen.
Zum Kontext des Traumsymboles gehört auch die ganze Traumgeschichte, meist träumt man ja nicht von einem einzelnen Symbol, sondern von einer Geschichte, die verschiedene Personen und Objekte enthält, welche auf ganz bestimmte Weise miteinander interagieren. Diese Interaktion ist von grösster Bedeutung, um einen Traum und dessen einzelne Symbole besser verstehen zu können. Es ist von der Bedeutung her ein riesiger Unterschied, ob Sie im Traum ein Hund beist, oder ob Sie ihn vertrauensvoll streicheln. Die Bedeutung eines Hundes gemäss Lexikon mag diese oder jene sein, doch erst die Interaktion mit anderen Traumelementen, zum Beispiel dem Traum-Ich legt die Bedeutung einigermassen fest.
So möchte ich am Schluss zusammenfassen: Ein Traumsymbollexikon kann zum Verständnis eines Traumes hilfreich sein, es kann dem Leser Hinweise und Ideen liefern, was ein einzelnes Symbol bedeuten könnte. Hilfreiche Symbollexika sind jene, die psychologisch und nachvollziehbar argumentieren, die für ein Symbol ausserdem mehrere Bedeutungen angeben. Der Benützer eines solchen Lexikons muss sich aber im Klaren Sein, dass er alleine mit Hilfe solcher Bücher seine Träume nicht verstehen kann. Er muss sich selber persönliche Gedanken zu seinen Träumen machen, manchmal muss er sich mit Teillösungen zufrieden geben. Um Träume befriedigend verstehen zu können, braucht er Kenntnisse, die er durch die wiederholte Arbeit mit eigenen Träumen und durch die Lektüre von Fachliteratur erhält. Das heisst es braucht grundsätzlich die Freude am Thema Traum und die Bereitschaft, sich eingehender und längerfristiger damit auseinander zu setzen. Schnellschüsse treffen in diesem Bereich kaum, auch wenn gelegentlich Traumsymbollexika dem Leser suggerieren, dass es reicht, ein Symbol schnell im Buch nachzuschlagen, um einen Traum zu verstehen.
Christoph Gassmann, Horgen, Schweiz
traumring.info