Trauminkubation

Christoph Gassmann, 2007

In der griechischen Kultur wurde an verschiedenen Kultstätten der Tempelschlaf gepflegt um im Traum Heilung oder Rat von einer Gottheit zu erlangen. So auch in der Kultstätte von Epidauros auf dem Peloponnes, welche Asklepios, dem Gott der Heilkunde gewidmet war (siehe Bild).

Asklepius

Heute wird dieser Brauch nicht mehr gelebt. Wir haben eine andere Einstellung zum Traum erhalten. Wir betrachten ihn als Spiegel unserer seelischen Tätigkeit, indem sich unsere Hoffnungen, unsere Befürchtungen, unsere Erwartungen, unsere Überzeugungen, unsere Weltanschauung und auch unsere Gefühle spiegeln. Gleichzeitig birgt das Wort Traum aber eine Verheissung in sich, man spricht von einer traumhaften Aussicht oder von einem Traum von einem Auto. Traum wird gelegentlich auch mit Wunsch gleichgesetzt. Ich habe einen Traum heisst also dementsprechend, ich hoffe, ich wünsche. In der Werbung ist deshalb das Wort Traum recht beliebt.

Auch wenn wir nachts in eine Welt eintauchen, die anderen Gesetzmässigkeiten gehorcht, als unsere wache Welt, so nehmen wir doch unsere eigene Persönlichkeit mit. Die Träume gestalten sich dem entsprechend. Ein Pessimist wird nachts mit weiteren Missgeschicken und Unglücken konfrontiert, ein Optimist mit weiteren glücklichen Ereignissen und positiven Überraschungen.

Am Tage benutzen wir häufig unseren Autopiloten um durch den sattsam bekannten Alltag zu steuern. Viele der Tätigkeiten sind uns gut bekannt und gehen daher automatisch von der Hand. Auch in der Nacht im Traum bleibt daher der Autopilot eingeschaltet. Er ist eben die Seinsweise, in die wir automatisch fallen, wenn nichts Besonderes vorfällt, das unsere volle Aufmerksamkeit verlangt.

Hier nun setzt ein moderner Ansatz zur Benutzung der Trauminkubation an. Sie ist eine Möglichkeit, nachts im Traum dem Hamsterrad der gewohnten und repetitiven Abläufe zu entrinnen. Indem wir uns vor dem Einschlafen vornehmen von einem bestimmten Thema zu träumen und uns dies auch möglichst bildlich und konkret vorstellen, nehmen wir Einfluss auf den allnächtlichen Trott, dem wir gewöhnlich frönen, und schlagen eine neue Richtung ein.

Eine ganz ähnliche Absicht mögen die alten Ägypter, Griechen und Römer gehabt haben, wenn sie sich einen wahren Traum von den Toren aus Horn wünschten und keinen falschen von den Toren aus Elfenbein(1), wenn sie eine schwerwiegende Entscheidung zu fällen hatten. Die falschen Träume werden nämlich durch unsere subjektiven Wünsche und Hoffnungen gefärbt und mögen deshalb kein verlässlicher Wegweiser sein. Die wahren Träume von den Toren aus Horn hingegen kommen gemäss Definition aus einem Bewusstseinsbereich, der nicht durch unsere Voreingenommenheit verzerrt ist.

Eidurru

So habe ich mich aufgemacht, selber mit der Trauminkubation zu experimentieren. Als Grundlage nahm ich eine Geschichte von der Existenz einer völlig anderen Kultur, die auf einem entfernten grossen Plantetensystem existiert, das aus 120 Planeten besteht, welche um 4 Sonnen kreisen(2). Einige von den Planeten und den Monden werden von einer Zivilisation besiedelt, die gleichzeitig sehr alt ist, aber doch nicht stagniert. Neue Errungenschaften bestehen neben alten Traditionen. In dieser Kultur wird unter anderem einer Traumgöttin Aufmerksamkeit geschenkt, die nicht so schön ist, wie die griechische Göttin Aphrodite, aber auch nicht so wenig attraktiv wie die sumerische Inanna. Ihr Name ist Eidurru, sie repräsentiert die höheren Traumqualitäten von jener Kultur.

Die exotische Geschichte animierte mich, diese Eidurru im Traum aufzusuchen. Regelmässig vor dem Einschlafen nahm ich mir vor, im Traume bewusst zu werden, um dann zu Eidurru zu gehen. Auch wenn ich nachts aufwachte, um einen Traum aufzuschreiben, wiederholte ich meinen Vorsatz wiederum beim einschlafen. Aus früheren Experimenten mit Trauminkubationen wusste ich, dass meine Träume nicht sofort reagieren. Ich bereitete mich also auf ein Vorhaben von mehreren Wochen oder gar Monaten vor. Nach 19 Tagen hatte ich folgenden Traum:

Ich war unterwegs und realisierte plötzlich, dass ich in einem Traum war. Ich versuchte unmittelbar darauf zu fliegen, aber es ging nicht recht. Ich war in einem Dorf oder kleinen Städtchen. Dann konnte ich doch einige "Hüpfer" machen. Schliesslich flog ich auf ein Dach. Dann überlegte ich mir, dass ich ja etwas wollte. Ich wollte zu Eidurru gehen, kam mir nun in den Sinn. Ich war gespannt, ob etwas geschehen würde und in der Tat ging die Post ab. Ich flog mit zunehmender Geschwindigkeit senkrecht hoch. Dabei durchquerte ich zuerst auch Hochspannungsleitungen, aber problemlos. Die Landschaft entfernte sich. Schliesslich war ich so weit weg, dass ich in der äusseren Lufthülle des Planeten sein musste. Man sah unten schon lange keine Details mehr, nur grosse Landschaften und Muster in den Landschaften. Schliesslich veränderten sich diese Muster zum Muster eines Mosaikbodens und ich war in einem südlichen Dorf mit warmen Farben. Der bunte, mosaikbepflasterte Weg führte zu einem Haus. Ich ging da voller Erwartungen hin. Ich klopfte an eine Küchentüre, welche durch den Druck meines Klopfens aufging. Raus kam eine Katze. Ich freute mich und sah in die Küche hinein, die etwas altmodisch eingerichtet war. Niemand war zu Hause. Drinnen hatte es noch eine Katze, die kratzte sich am Ohr. Erstaunt schaute ich den beiden Katzen zu, die eine tollte auf der Strasse rum, die andere kratzte sich wie wild. Dann wachte ich auf.

Durch die Inkubation war es mir gelungen, im Traum bewusst zu werden, dass ich in einem Traum war. Ausserdem konnte ich mich an meine Intention erinnern, zu Eidurru zu gehen. Der Autopilot war also eindeutig ausgeschaltet und die repetitiven Muster, die ich gut aus meinem Traumalltag kenne, durchbrochen. Leider traf ich da nicht auf die Göttin, doch immerhin habe ich es bis zu ihrer Küche geschafft.

Ich wollte dieses kleine Beispiel vorstellen, in der Hoffnung, dass es andere Träumer inspiriert, selber mit der Trauminkubation zu experimentieren. Die Inkubation muss keineswegs eine Göttin wie Eidurru oder einen Gott wie Asklepios beinhalten, sie kann auch einen Ratschlag oder einen Kommentar zu einem Problem anvisieren oder schlicht mehr Freude, Gelassenheit und Vergnügen ins Traumleben bringen. So ist es möglich, durch gezielte Einflussnahme dem allnächtlichen Hamsterrad zu entrinnen und neue Möglichkeiten zu entdecken.

Christoph Gassmann, Horgen, Schweiz
traumring.info

  1. Christoph Gassmann: Die Tore aus Horn und Elfenbein  http://annex.dreamunit.net/text-de/04/gassmann3.shtml
  2. Kris Chronicles: The secret of the Ancients II  http://www.krischronicles.com/2006/2006-06-04-secrets-2.html